Die Planungen laufen auf Hochtouren: Mit einer Stadtführung auf den Spuren der jüdischen Familie Cahn lädt Stadtführer Lars Friedrich (52) ein, die jüdische Kultur in unserer Region besser kennenzulernen und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Die neue Stadtführung „Die Cahns. Eine jüdische Familie in Hattingen“ begibt sich in Hattingen auf die Spuren der jüdischen Familie Cahn und beleuchtet ihr Schicksal zwischen Integration und Vertreibung. Besucht wird u.a. der frühere Standort des jüdischen Gemeindezentrums mit Volksschule und Synagoge, das ehemalige Ladenlokal der Familie Cahn (Innenbesichtigung) sowie den israelitischen Friedhof. Stadtführer Lars Friedrich: „Das Schicksal der Familie Cahn ist der rote Faden, dem wir durch die Hattinger Altstadt folgen.“
Die Wurzeln der Familie lassen sich in das rheinische Friesheim verfolgen. Um 1870 kommt Norbert Cahn nach Hattingen und heiratet hier Amalie, die Tochter des Metzgers Salomon Schmidt. Ihr Sohn Carl wird die Schlachterei in der Hattinger Altstadt weiterführen, bis das Geschäft 1938 arisiert wird. Carl Cahn und Frau Amalie sowie seine Schwestern Bertha, Rosalie und Selma und deren Ehemänner werden in Zamość, Auschwitz, Sobibor und Riga von den Nationalsozialisten ermordet.
Nach einer Innenbesichtigung der früheren Cahn‘schen Metzgerei am Haldenplatz führt Lars Friedrich die Teilnehmer der Führung zunächst zum Standort des ehemaligen jüdischen Gemeindezentrums und der 1938 zerstörten Synagoge an der Bahnhofstraße. Von dort geht es vorbei am „Hitler-Keller“ gegenüber dem Alten Rathaus, dem „Mein Kampf“-Haus am Obermarkt 13 und dem „Braunen Haus“ an der Heggerstraße 49 zum 1893 geweihten israelitischen Friedhof an der Blankensteiner Straße (hier ist das Tragen einer Kopfbedeckung für Männer erforderlich). „Zur besseren zeitgeschichtlichen Einordnung zeige ich historische Aufnahmen der Orte und Personen“, so Friedrich. Dieser Stadtrundgang, der unter www.hattingenzufuss.de oder telefonisch (0175 4194195) gebucht werden kann, ist auch für Schülergruppen ab Klasse 8 geeignet.
Die individuell buchbare Stadtführung für Gruppen ist eingebunden in das bundesweite Festjahr #2021JLID, das der Verein „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“ mit seiner Geschäftsstelle in Köln organisiert und koordiniert.
Hintergrund ist, dass der römische Kaiser Konstantin am 11. Dezember 321 ein Edikt erließ. Dieses Gesetz besagte, dass Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten, bekleiden durften und sollten. Das Edikt Konstantins, das in einer Abschrift in der Bibliothek des Vatikans aufbewahrt wird, ist somit das früheste schriftliche Zeugnis über jüdisches Leben in Mittel- und Nordeuropa. Es belegt, dass jüdische Gemeinden bereits seit der Spätantike wichtiger integrativer Bestandteil der europäischen Kultur sind. Im Jahr 2021 leben Jüdinnen und Juden also nachweislich seit mindestens 1700 Jahren auf dem Territorium des heutigen Deutschlands.
„Wir freuen uns sehr über den Beitrag von HATTINGEN ZU FUSS“, würdigt Andrei Kovacs, der leitende Geschäftsführer aus Köln, den Beitrag aus Hattingen als „Bereicherung des Festjahres“. Dieses lebe von der starken regionalen Verankerung in ganz Deutschland, unterstreicht die Generalsekretärin des Vereins 321, Sylvia Löhrmann. „Das Judentum ist konstitutiv für Deutschland. Das wird mit diesem Projekt veranschaulicht und trägt dazu bei, möglichst viele Menschen konkret anzusprechen.“
Im Festjahr #2021JLID koordiniert der Verein 321 mit großer Unterstützung des Bundes, verschiedener Bundesländer und Kommunen sowie aus der Zivilgesellschaft bundesweit rund 1000 Aktionen und Kulturevents, die dazu beitragen sollen, kulturelle, politische und interreligiöse Debatten innerhalb der Gesellschaft anzustoßen und deutliche Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus zu setzen.
Das Festjahr startete bundesweit mit der TV-Ausstrahlung des Festakts, an dem unter anderem der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Schirmherr des Festjahres teilnahmen. Weitere Projekte des Vereins 321 sind das für den Sommer geplante Kulturfestival „Mentsh!“ und das weltgrößte Laubhüttenfest „Sukkot XXL“ im Herbst. Seit Jahresbeginn sind der wöchentliche Podcast #2021JLID zum Thema „Jüdisches Leben heute in Deutschland“ von Shelly Kupferberg, Mirna Funk und Miron Tenenberg, die Online-Ausstellung „Jewersity“ von Jan Feldman sowie eine Video-Reihe in Kooperation mit dem „Bubales“-Puppentheater aus Berlin über jüdische Feiertage im Festjahr online zu finden. Ein Überblick über das bundesweite Jahresprogramm findet sich hier: https://2021jlid.de/programm/
Info: Der Verein „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ wurde 2018 gegründet und geht auf die Initiative der Gründungsmitglieder Abraham Lehrer, Prof. Dr. Jürgen Rüttgers und Dr. Matthias Schreiber zurück. Weitere Gründungsmitglieder sind u.a. die Zentralratspräsident der Juden (Dr. Josef Schuster) bzw. der Katholiken in Deutschland (Prof. Dr. Thomas Sternberg), die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, der stellvertretende LVR-Vorsitzende Prof. Dr. Jürgen Wilhelm sowie der Journalist und ehemalige Kirchentags-Präsident Hans Leyendecker. Generalsekretärin des Vereins ist Sylvia Löhrmann, Staatsministerin a. D. des Landes NRW. Leitender Geschäftsführer ist Andrei Kovacs.
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