Vor 30 Jahren, in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1993, ging an der Hattinger Unionstraße das Haus einer türkischen Familie in Flammen auf. Erst wenige Tage zuvor waren in Solingen fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen bei einem rassistischen Brandanschlag ermordet worden. War der Brand in Hattingen eine rechtsextreme Gewalttat? Ermittelt wird in eine andere Richtung…
Die HATTINGEN ZU FUSS-Stadtführung „Nahtlos braun: Rechtes Gedankengut in Hattingen 1945 bis 1995“ thematisiert das Feuer von 1993 an der Unionstraße ebenso wie eine Anschlagsserie von Neonazis im Jahr 1984 oder die Nachkriegsbesuche des ehemaligen SA-Stabschefs Wilhelm Schepmann (Foto) in Hattingen.
Schepmann, seit 1943 Nachfolger von Viktor Lutze im Amt des SA-Stabschefs, war in den 1950er und 1960er Jahre gern gesehener Gast auf Wein- und Stadtfesten in seiner Geburtsstadt Hattingen. Hier hatte Schepmann in den 1920er Jahren eine der ersten SA-Ortsgruppen aufgebaut.
„Während man bis in die 1970er Jahre in Sachen Vergangenheitsbewältigung in Hattingen äußerst milde gestimmt war, begann Mitte der 1980er Jahren in einem VHS- Arbeitskreis die Vergangenheitsbewältigung“, weiß Stadtführer Lars Friedrich. „Dennoch wurden weite Kreise der Stadt in den 1980er Jahren auf dem rechten Auge plötzlich wieder blind.“
1984 kam es innerhalb weniger Wochen zu mehreren Tränengasangriffen auf eine städtische Ausländerbegegnungsstätte, auf ein Konzert des Stimmungssängers Billy Mo und auf hauptsächlich von Ausländern bewohnte Häuser in Welper und im Rauendahl. Im Dezember 1984 mussten Spezialeinsatzkräfte im Oberwinzerfeld den Sprengstoff Ethylenglykoldinitrat entschärfen. Friedrich: „Angemischt hatte den hochexplosiven Kampfstoff ein 20jähriger Chemielaborant der Henrichshütte, Mitglied der neonazistischen Wikingjugend.“
Die Stadtführung „Nahtlos braun“ erweitert das Angebot der HATTINGEN ZU FUSS- Stadtführung „Jüdisches Hattingen“ und „Hattingen im Nationalsozialismus“ um ein weiteres zeitgeschichtliches Thema. Lars Friedrich: „Ich freue mich, dass der Bochumer Autor Werner Schmitz zugestimmt hat, dass ich für die Stadtführung den Titel seines 1984 im Weltkreis- Verlag erschienen Kriminalromans nutzen darf.“ Wie Reinhard Junge, der 1989 seien Krimi „Klassenfahrt“ in der Hattinger Neonazi-Szene ansiedelte, arbeitete Schmitz in „Nahtlos braun“ die weitgehend unbewältigte NS-Vergangenheit auf.
Anfragen für die Stadtführung „Nahtlos braun: Rechtes Gedankengut in Hattingen 1945 bis 1995“ können ab sofort für Termine ab September 2023 per E-Mail an kontakt@hattingenzufuss.de gerichtet werden. Dauer der Gruppenführung: 90 Minuten. Kosten: 75 Euro.
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